Was unterscheidet neue Pilger von Touristen?

Haben wir noch die Absicht, etwas zu verändern oder wollen wir nur endlich in Ruhe gelassen werden und zu unserem gewohnten Leben zurückkehren? Aber geht das überhaupt noch? Wir könnten uns beispielsweise fragen, ob uns ein Urlaub wirklich die Lebensfreude wiederbringen wird oder wenigstens dabei hilft, den Albtraum der letzten beiden Jahre zu vergessen. Doch bedroht uns ja schon wieder neues Unheil.

Was hilft es also, vorübergehend zu flüchten? Es wird immer so weitergehen, wenn wir uns weiterhin weigern, uns den gemeinsamen Ursachen all der Bedrohungen, die wir gegenwärtig verspüren, zu stellen. Spätestens jetzt wäre es eine Überlegung wert, vom Touristen zum neuen Pilger zu werden, meine ich. Wir würden uns viel besser regenerieren, als es bei einem herkömmlichen Urlaub oder beim Wandern als Freizeitbeschäftigung der Fall wäre, und zusätzlich neuen Mut schöpfen. Denn wir würden mit einer Vision zurückkehren und mit dem Gefühl, etwas dazu beigetragen zu haben, dass wir das Zeitalter des Getrenntseins endlich hinter uns lassen können und dem großen Wiederzusammenkommen mit allen anderen Wesen samt der Erde selbst entgegengehen. Irgendwo hinzugehen hat augenscheinlich eine ganz andere Kraft als vor etwas davonzulaufen!

 

Was unterscheidet nun neue Pilger von Touristen? Es ist die Einstellung, mit der sie kommen: Pilger wollen dem besuchten Ort etwas bringen, während Touristen in erster Linie etwas für sich von dort mitnehmen wollen. Neu ist dabei das Motiv dieses Pilgerns, nämlich die Erde zu nähren und damit einen neuen Wind in die Welt hereinwehen zu lassen.

Wenn wir ihr geben, werden wir auch etwas bekommen, doch vielleicht in anderer Weise als wir es uns erwarten. Unser Selbstkonzept wird sich weiten, so dass wir uns eingewoben in einen belebten Kosmos voll sichtbarer und unsichtbarer Wesen fühlen. Wir werden Freude am Geben an sich spüren, unser Herz wird sich öffnen und klären, und es wird uns die tiefe Befriedigung erfüllen, etwas zum Wohl der Erde, die uns nährt und erhält, beigetragen zu haben. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo es angemessen erscheint, sie mit unseren Gaben um Verzeihung dafür zu bitten, was wir Menschen ihr angetan haben und immer noch antun. Es ist Zeit dafür, dass wir uns bemühen, die heilige Wechselseitigkeit zwischen ihr und uns wiederherzustellen. Und die Liebe ist es, die unsere Gaben ungleich wertvoller macht als es auf den ersten Blick erscheinen mag.


Heilige Wechselseitigkeit lässt sich nie buchhalterisch aufrechnen und schon gar nicht in Geldwert erfassen. Noch so viele ökologische Maßnahmen (die zweifellos notwendig sind) können nicht ersetzen, was Gaben in Liebe bewirken können. Doch lässt sich das nur verstehen, wenn man Pachamama, Mutter Erde als lebendiges und beseeltes Wesen begreift. Wir haben nicht die geringste Ahnung davon, wie viel an Selbstregenerationskraft in ihr steckt und in welchem Umfang sie sich transformieren kann. Geben wir ihr Nahrung und stärken sie dafür, dann kann sie ihre Kräfte mobilisieren und sich von dem Schaden erholen, den wir ihr zugefügt haben. Wir sind darauf angewiesen, denn nur dann kann sie uns weiter die Lebensgrundlage geben.

 

Mit Munay*,

Waltraud Hönes

(Gründerin der Wayna Fanes- Tradition)

 

*Munay (Quechua): Bedingungslose Liebe, eigentlich: Liebender Wille

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